
Inklusion: Gesetzentwurf in NRW
"Wir zeigen mit diesem Gesetzentwurf, wie es möglich ist, die
UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung umzusetzen
und ein inklusives Schul- und Bildungssystem zu entwickeln, das diesen
Namen zu Recht trägt", sagte Bernd Kochanek von der LAG in Düsseldorf
vor Journalisten.
Dies sei keine "Kür", sondern eine
Pflichtaufgabe des Landes, um die verbindlichen völkerrechtlichen
Vorgaben in Nordrhein-Westfälisches Landesrecht umzusetzen. Das
bisherige Parallelsystem von Förderschulen und allgemeinen Schulen sei
weder sinnvoll noch weiter finanzierbar.
Der von der LAG vorgelegte Gesetzentwurf umfasst drei zentrale Punkte:
Die
Verankerung des Grundsatzes inklusiver Bildung im gesamten
Bildungswesen, d.h. angefangen in Kindertageseinrichtungen, über Schulen
bis hin zu Institutionen lebenslangen Lernens.Die Begründung eines
einklagbaren Rechtsanspruchs für Kinder und Jugendliche mit Behinderung
oder drohender Behinderung auf wohnortnahen inklusiven Unterricht in den
allgemeinen Schulen beginnend ab dem Schuljahr 2014/2015. Die
detaillierte Beschreibung einer Übergangsphase für den bevorstehenden
Transformationsprozess des Schulwesens.
Die Übergangsphase würde
nach dem Gesetzentwurf folgendermaßen aussehen: Die bisherigen
Förderschulen werden als Außenstellen in so genannte regionale
Unterstützungszentren für inklusive Bildung, d.h. "Schulen ohne
Schülerinnen und Schüler", eingegliedert. Die bisherigen Förderschulen
nehmen ab dem Schuljahr 2014/15 keine neuen Schülerinnen und Schüler
mehr auf.
Die Lehrkräfte der bisherigen staatlichen Förderschulen
mit den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache, emotionale und soziale
Entwicklung sowie das weitere in diesen Förderchwerpunkten eingesetzte
Personal werden sukzessive an die Regelschulen versetzt. Dies soll dem
Entwurf zufolge in dem Maße geschehen, in dem Klassen in den
Außenstellen der regionalen Unterstützungszentren für inklusive Bildung
entfallen. Die Lehrkräfte, die bislang in anderen Förderschwerpunkte
eingesetzt waren, bleiben vorläufig den regionalen Unterstützungszentren
für inklusive Bildung zugeordnet. Sie werden zielgerichtet dort
eingesetzt, wo ein Kind mit einer selteneren Behinderung eine
allgemeinen Schule besucht.
Kritik übte Bernd Kochanek auch am
Verhalten der Nordrhein-Westfälischen Landesregierung. "Es gibt
keinerlei Hinweise dafür, dass sich die Landesregierung konsequent von
dem separierenden Schulsystem verabschieden will", sagte er. Zur Zeit
sei nicht geplant, auch nur eine einzige der jetzigen 662 Förderschulen
(Zahlen gemäß Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes
Nordrhein-Westfalen) abzuschaffen. In anderen Bundesländern hat man sich
hingegen teilweise bereits auf den Weg zu einem inklusiven Schulsystem
gemacht.
"Wenn wir beispielsweise allein die Förderschulen der
drei genannten Förderschwerpunkte auflösen würden, könnten in
Nordrhein-Westfalen rund 62.000 Kinder (Zahlen gemäß
Kultusministerkonferenz) sofort im allgemeinen System, mit
entsprechender individueller Unter-stützung, lernen", sagte Bernd
Kochanek. Dies seien circa zwei Drittel aller Förderschülerinnen und
Förderschüler mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen. Das im
Gesetzentwurf geplante Szenario sieht allerdings keinen harten Schnitt
vor. "Wir wollen einen schrittweisen und behutsamen Übergang
ermöglichen", sagte Kochanek.
"Es geht nicht mehr um das Ob,
sondern um das Wie", sagte Dr. Jan Schubert, Rechtsanwalt der
Wirtschaftskanzlei Latham & Watkins LLP. Die Landesregierung habe
jetzt die Chance und gleichzeitig die Verpflichtung, eine entschlossene
Vorreiterrolle bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im
Schulsystem zu übernehmen. "Menschen mit Behinderung gehören schon von
Rechts wegen dazu. Überall und von Anfang an", sagte Schubert.
Die
Kanzlei berät Gemeinsam leben, Gemeinsam lernen bundesweit im Rahmen
ihrer Pro Bono-Tätigkeit. Diese Tätigkeit besteht in der kostenlosen
Beratung und Vertretung gemein-nütziger Organisationen,
Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen und bedürftiger Privatpersonen
sowie dem Engagement zur Förderung und Verbreitung von
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten.
Der komplette Gesetzentwurf sowie weiteres Informationsmaterial stehen auf der Homepage der Landesarbeitsgemeinschaft: www.gemeinsam-leben-nrw.de/gesetzentwurf. Auf Wunsch stellt die LAG auch gedruckte Exemplare zur Verfügung.
Über die Landesarbeitsgemeinschaft Gemeinsam Leben, Gemeinsam Lernen
Die
Landesarbeitsgemeinschaft Gemeinsam Leben, Gemeinsam Lernen NRW e.V.
setzt sich für ein gemeinsames Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen
mit und ohne Behinderung ein. Deshalb fordern wir die volle Umsetzung
des Grundgesetzes und der UN-Behindertenrechtskonvention auch in
Nordrhein-Westfalen. Es geht um die gemeinsame Erziehung und
Unterrichtung im örtlichen Kindergarten, in der Grundschule, in der
weiterführenden Schule, in der beruflichen Ausbildung und darüber hinaus
um die gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben und um
selbstbestimmte Wohnformen.
Weitere Informationen unter: www.gemeinsam-leben-nrw.de/Pressekontakt: Bernd Kochanek, mobil: 0173 971 30 99, E-Mail: kochanekb@arcor.de